Der Hörsaaltechniker Gerd

1950er und 1960er Jahre

Guten Tag, ich heiße Gerd und arbeite seit 20 Jahren am I. Physikalischen Institut in Göttingen. Bis Pohl 1952 emeritierte habe ich sogar mit ihm zusammengearbeitet, das ist aber schon einige Jahre her.
Als Hörsaaltechniker bin ich dafür verantwortlich, die Versuchsaufbauten für die Vorlesungen vorzubereiten und die Versuche gemeinsam mit den Lehrenden durchzuführen. Das ist ganz schön viel Aufwand, besonders in einer Experimentalphysik-Vorlesung nach Pohl’scher Art. Darüber erzähle ich euch später mehr. Erstmal sollt ihr den Hörsaal kennenlernen. Seit Pohl hier war, hat sich einiges verändert. Ich kenne den alten Hörsaal zwar nur von Fotos, möchte euch aber dennoch gerne von Pohls Umbaumaßnahmen erzählen. Pohl hat auch einige Geräte entworfen, die ich euch nicht vorenthalten will.

*Bei dem Hörsaaltechniker Gerd handelt es sich um eine fiktive Persona.

Kapitel

Umgebaut

Der alte Hörsaal entsprach überhaupt nicht Pohls Vorstellungen. Um seine Versuche besser vorführen zu können, fing Pohl deshalb 1921 an, Veränderungen am Hörsaal vorzunehmen. Die Umbauten mündeten in einem deutlich größeren, für die Zeit überraschend minimalistischen Saal mit vielen weißen Wandflächen für seine berühmten Schattenprojektionen. Während der Hörsaal früher recht voll gestellt war, gab es nun eine große freie Bühne. Die brauchte er für seine einfachen, standardisierten Versuchsaufbauten.

Der Hörsaal bevor, während und nach dem Umbau durch Pohl. Große Tische und viele Kleinigkeiten ersetzte Pohl mit einer minimalistischen Gestaltung. (Großer Horsaal 1905 aus: Göttinger Vereinigung zur Förderung der angewandten Physik und Mathematik. Die Physikalischen Institute Der Universität Göttingen: Festschrift Im Anschlusse an Die Einweihung Der Neubauten Am 9. Dezember 1905. Leipzig: Teubner, 1906. Großer Hörsaal ca. 1925 und 1926: Negativ-Box 1.3, Sammlung Pohl, Physicalisches Cabinett, I. Physikalisches Institut.)

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Aufgebaut

Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen legte Pohl den Hauptfokus auf Vermittlung durch Experimente. Das bedeutete viel Arbeit für seine Hörsaaltechniker. Die Versuche hatten und haben einen ähnlichen Verlauf wie ein Theaterstück: Der Aufbau erfolgt hinter den Kulissen, dann gibt es eine Generalprobe im Hörsaal und schließlich wird der Versuch in der Vorlesung gezeigt. Bei allen Schritten muss auch ein Hörsaaltechniker dabei sein. Die Vorbereitung und Probe dauert oft länger als die eigentliche Vorlesung, vor allem wenn in einer Vorlesungssitzung mehrere Versuche gezeigt werden.

Zeichnung des Versuchs „Magnetisches Drehfeld mit Induktionsläufern“, gezeigt in der 15. Vorlesung, von einem Hörsaaltechniker um 1950/1960. Viele solcher Zeichnungen wurden für die Vorbereitung der Vorlesungen angefertigt. (I. Physikalisches Institut Göttingen, Lehrsammlung, Mappe 9: Elektr. 16.-30. Vorl.)

Link zum Induktionsläufer im Sammlungsportal der Uni Göttingen. Robert Wichard Pohl nutzte den experimentellen Aufbau des Induktionsläufers zur Darstellung des Prinzips des Drehfeldmotors per Schattenwurfexperiment. (Marie Ahlig/ Lara Siegers, I. Physikalisches Institut Göttingen, Lehrsammlung Pohl.)

Der gefilmte Versuch gehört zu den Neuauflagen des Lehrbuchs durch Pohls Sohn Robert Otto, der auch hier im Video zu sehen ist. (Lüders, Klaus; Pohl, Robert Otto; Beuermann, Gustav; Samwer, Konrad: Induktionsläufer. Physikalische Experimente nach Robert Wichard Pohl (1884 – 1976), IWF (Göttingen), 2004. https://doi.org/10.3203/IWF/C-14887)

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Entwickelt

Pohl entwickelte einige bekannte Geräte für seine Demonstrationsexperimente weiter oder ließ Eigenentwicklungen von den Mechanikern des Instituts bauen. Kopien dieser Geräte wurden ab 1926 von der Göttinger Firma Spindler & Hoyer global vertrieben. Eine der bekanntesten dieser Erfindungen ist der „drehbare Experimentiertisch nach Professor R. Pohl“. Obwohl weder der Tisch noch die Elemente an sich neu waren, war die innovative Zusammenführung ein Erfolgsmodell. Einige der Geräte, die in den 1920ern entwickelt und gebaut wurden, werden noch heute in der Lehre an der Göttinger Universität eingesetzt.

Ein Ausschnitt aus dem Katalog von Spindler & Hoyer aus den frühen 1930er Jahren zeigt den Drehstuhl. (Aus: Spindler & Hoyer, Liste 61: Der Drehstuhl nach Prof. R.W. Pohl, Collection Paolo Brenni, https://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit18147 [letzter Zugriff 19.09.2022].)

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Dauerbrenner

Bogenlampen werden zum Ende des 19. Jahrhunderts als Theaterbeleuchtung und in Kinoprojektoren eingesetzt. Das Besondere an ihnen ist ihre kleine, punktförmige Lichtquelle. Dadurch können Bogenlampen auf große Entfernungen sehr scharfe Bilder an die Wand des Hörsaals werfen, anders als die Wendel einer Glühlampe oder eine Neonröhre. In Pohls Lehrveranstaltungen wurden mit Bogenlampen Glas-Dias an die Wand geworfen, aber auch die Anzeigen von Messgeräten und ganze Versuchsaufbauten. So konnten alle Studierenden auch aus der letzten Reihe den Versuch mitverfolgen, egal, wie klein der Aufbau war.

Link zur Bogenlampe im Sammlungsportal der Uni Göttingen. (Marie Ahlig/ Lara Siegers, I. Physikalisches Institut Göttingen, Lehrsammlung Pohl.)

Video abspielen

In diesem Ausschnitt aus dem Vortrag „Robert Wichard Pohls langer Schatten: Physik für die Lehre im 20. Jahrhundert“ erklärt Dr. Michael Markert (links) mit Dr. Daniel Steil (rechts) anschaulich den Unterschied zwischen den Schattenwürfen einer Halogenlampe (links) und einer Bogenlampe (rechts). (Ausschnitt aus: https://www.youtube.com/watch?v=nhc18efqLlI [letzter Zugriff 26.09.2022].)

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Liveschaltung

Auch heute gibt es Hörsaaltechniker:innen, die wie in Pohls Zeiten für die Versuchsaufbauten und den reibungslosen Verlauf von Experimentalvorlesungen zuständig sind. Joachim Feist, einer der Hörsaaltechniker am I. Physikalischen Institut der Universität Göttingen, berichtet in einem Interview von seiner Arbeit. Sein Kollege Matthias Heisig, seit 1973 Mechaniker und später Vorlesungsassistent an der HTW-Dresden, hat es gelesen und erzählt von seinen Erfahrungen.

In diesem Video-Still sind zwei Monitore zu sehen, die das gleiche zeigen: das Licht einer Bogenlampe wirft auf eine weiße Wand den Schatten eines Pendels, das zwei Gewichte besitzt, die mit einer Feder verbunden sind. Außerdem sind drei Personen zu erkennen, die um das Pendel herumstehen und sich scheinbar unterhalten. Hinter den Monitoren lassen sich einige leere Klappstühle eines Vorlesungssaals erkennen.
(Video-Still aus dem Dokumentarfilm „Hinter den Schatten“ von Sofia Leikam und Michael Markert, 15:12min https://av.tib.eu/media/55731 [letzter Zugriff 26.09.2022].)

Heisig: Wenn die Experimente jetzt mit 2 oder mehr Kameras abgebildet werden, ist der ästhetische Anspruch doch ein anderer.

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Heisig: Die Vorlesung [bei uns am Institut] ist nach der alten Gliederung von Pohl, Bergmann-Schäfer und Recknagel aufgebaut.

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Heisig: Seit Beginn an arbeiten wir mit den Kohlebogenlampen und der Schattenrissprojektion nach Pohl.

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Heisig: Genau diese Entwicklung hat es in den letzten Jahren gegeben.

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Heisig: Auch der Versuch mit den Hertz’schen Wellen kommt gut. Wobei die umfangreiche verbaute Technik im Hörsaal massiv gestört wird.

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Heisig: Wir arbeiten immer noch sehr gern mit den „alten Messingversuchen“, einfach und funktioniert!

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Heisig: Alternativ haben wir uns Zenon-Lampen aus Autoscheinwerfern gebaut.

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Heisig: Wir setzen immer noch traditionell die Kohlebogenlampen von Carl Zeiss Jena ein, wobei diese mit Wechselspannung 220 V betrieben werden. Das Uhrwerk zum Kohletransport ist ausgeschaltet.

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Heisig: Das Interview von Herrn Feist kann ich in allen Punkten nur unterstützen!

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