Test 2

Ich habe 2003 an einer kleinen Uni angefangen zu studieren und um ehrlich zu sein bin ich dort auf wenig bis keine Hindernisse gestoßen. Ich habe die Physik an der Uni als sehr Leistungsorientiert wahrgenommen. Wer du bist und wie du wahrgenommen wirst misst sich also vor allem an deinem wissenschaftlichen Profil und weniger an deinem Geschlecht.

Den Stereotypen und Hindernissen war ich eher zu meiner Schulzeit ausgesetzt und auch mehr im persönlichen Umfeld. Anders als bei anderen Anekdoten, die man zugetragen bekommt, hatte ich nie einen Lehrer/Lehrerin die meine Stärke in den MINT-Fächern nicht wahrgenommen hat, weil sie Pauschal diese einer weiblich gelesen Person nicht zutraute.

Im Privaten kamen aber schon die klassischen Sprüche, wenn einmal eine Note nicht so gut war.

„Es wird immer einen Jungen geben der besser ist als du.“

Mit diesem Satz wurde ich mal getröstet, weil ich in einem Thema, das mir wirklich sehr gut lag nicht volle Punktzahl bekam. Eine weitere Anekdote verdank ich meiner alten Kinderärztin, die meine Mutter aufforderte mich von der Universität zu nehmen da Physik doch zu schwer für mich sei. Diese Situation empfand ich als sehr übergriffig denn ich war damals (2004) bereits volljährig.

Der Stereotypus der in diesen Fällen zu Grunde lag ist, dass Frauen im logischen und analytischen Denken nicht gleich talentiert sind wie Männer.

Physik hat aber auch noch einen weiteren nicht geschlechtsspezifischen Ruf. Es gilt allgemein als schwer. Sagt man das man Physiker*in ist wird dies immer mit erstaunten Blicken honoriert. Oft begleitet mit Sätzen wie: „Fand ich immer interessant, war mir aber zu schwer. Das könnte ich nicht.“ Ja auch den Satz „bist du krank?“ habe ich in dem Zusammenhang schon gehört. Hier liegt etwas zugrunde, das mich persönlich sehr stört.

Die Gesellschaft akzeptiert das man Physik nicht kann. Und ich meine hier nicht Quantentheorie, Stringtheorie und andere gehobene Physik. Sondern tatsächlich die Alltagsphysik.

Physik ist eine beschreibende Wissenschaft. Physik heißt etwas beobachten und dies dann im Kontext der bekannten Welt zu beschreiben. Und das tut jedes Kind.

Wenn jemand von sich behauptet er könne Physik nicht, erfährt er häufig Bestätigung, „Ja, das ist ja auch kompliziert“ das heißt aber im Grunde, dass wir akzeptieren, dass Menschen nicht fähig sind eine physikalische Beobachtung in einen Kontext einzuordnen. Wir sollten mehr dazu übergehen zu sagen, „es ist okay, dass du dich dafür nicht interessierst und du es deshalb nicht einordnen kannst“.

Ein Satz der für mich den Grundsatz der Wissenschaft wie kein anderer verkörpert ist „Ich weiß, was ich nicht weiß“. Von der Gesellschaft ist dieser allerdings häufig missverstanden. Wissen wo die eigenen Wissensgrenzen liegen und verstehen das andere vielleicht schon hinter deinen Horizont sehen können ist essenstiel für eine wissenschaftliche Diskussion.

Die aktuelle Situation zeigt aber auch dass es allgemein ein Missverständnis in Bezug auf die Wissenschaft gibt. Wissen wo die aktuellen Grenzen liegen, wissen dass jedes Ergebnis nur ein weiterer Punkt auf einem langen Weg ist, dessen Ende man nicht sehen kann, wissen dass es für Fortschritt kein absolutes Wissen geben muss, ist kein Eingeständnis der Unwissenheit, sondern eine Herausforderung. Fehler sind kein Versagen, sondern der Nährboden des Lernens.

Nach oben scrollen